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Ermessensausübung bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags in Erstattungsfällen

Im Rah­men des Erschließungsermessens zur Fest­set­zung eines Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 1 AO n. F. kann unter ande­rem von Bedeu­tung sein, ob sich aus der Ver­an­la­gung eine Null­fest­set­zung, Nach­zah­lung oder Steu­er­erstat­tung ergibt.

Die am 29. ¤rz 2023 durch die Steu­er­be­ra­te­rin des Klägers ein­ge­reich­te Einkommensteuererklärung 2020 führ­te auf­grund der Anrech­nung der vom Arbeit­ge­ber abge­führ­ten Lohn­steu­er zu einer Ein­kom­men­steu­er­erstat­tung. Im Rah­men des Ver­an­la­gungs­ver­fah­rens setz­te das Finanz­amt einen Verspätungszuschlag in ¶he von 175 Euro fest, da die Steuererklärung erst nach Ablauf der Abga­be­frist (31. August 2022) abge­ge­ben wor­den sei. Mit sei­nem hier­ge­gen ein­ge­leg­ten Ein­spruch mach­te der Kläger u. a. gel­tend, dass er sei­ne Steuererklärung erst­ma­lig und letzt­ma­lig gering­fü­gig verspätet abge­ge­ben und die Ver­an­la­gung zu einer Erstat­tung geführt habe.

Das Finanz­amt wies den Ein­spruch als unbe­grün­det zurück. Nach § 152 Abs. 1 AO könne ein Verspätungszuschlag fest­ge­setzt wer­den. Von der Fest­set­zung sei abzu­se­hen, wenn die Verspätung ent­schuld­bar sei. Vor­lie­gend sei die verspätete Abga­be – wie in einer frühe­ren Ein­spruchs­ent­schei­dung zur Ableh­nung eines vom Kläger eben­falls gestell­ten Antrags auf rück­wir­ken­de Fristverlängerung zur Abga­be der Einkommensteuererklärung 2020 dar­ge­stellt – nicht ent­schuld­bar gewe­sen. Ent­spre­chend den Vor­ga­ben des § 152 Abs. 5 AO sei daher ein Mindestverspätungszuschlag von 25 Euro für sie­ben ange­fan­ge­ne Mona­te der Verspätung (= 175 Euro) fest­ge­setzt wor­den. Im Rah­men des Kla­ge­ver­fah­rens führ­te das Finanz­amt ergänzend aus, dass es nach § 152 Abs. 1 AO n. F. nur auf die verspätete Abga­be und das Ver­schul­den für die Verspätung ankom­me. Ande­re Ermes­sens­kri­te­ri­en sei­en in die Neu­fas­sung des Geset­zes nicht auf­ge­nom­men worden.

Der 4. Senat hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben und den Bescheid über die Fest­set­zung eines Verspätungszuschlags auf­ge­ho­ben. Das Finanz­amt habe sein Ermes­sen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.

Im Streit­fall habe sich die Fest­set­zung eines Verspätungszuschlags nach der Ermes­sens­vor­schrift des § 152 Abs. 1 AO gerich­tet. Es habe kein Fall einer gebun­de­nen Ent­schei­dung nach § 152 Abs. 2 AO vor­ge­le­gen, da die Ein­kom­men­steu­er­fest­set­zung zu einer Erstat­tung geführt habe (§ 152 Abs. 3 Nr. 3 AO). Auch sei­en die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des § 152 Abs. 1 Satz 1 AO auf­grund der nicht fristgemäßen Abga­be der Einkommensteuererklärung erfüllt, während die Fest­set­zung nicht nach § 152 Abs. 1 Satz 2 AO aus­ge­schlos­sen gewe­sen sei. Der Kläger habe nicht glaub­haft gemacht, dass die Verspätung ent­schuld­bar gewe­sen sei.

Auf Rechts­fol­gen­sei­te rege­le § 152 Abs. 1 AO nicht, wel­che Kri­te­ri­en bei der Aus­Ã¼­bung des Entschließungsermessens zu berück­sich­ti­gen sei­en. Aus der Geset­zes­be­grün­dung erge­be sich ledig­lich, dass eine pflichtgemäße Ermes­sens­ent­schei­dung nach § 5 AO zu tref­fen sei. Es sei daher umstrit­ten, ob und ggf. wel­che wei­te­ren Ermes­sens­kri­te­ri­en sei­tens der Finanz­ver­wal­tung zu berück­sich­ti­gen seien.

Nach Auf­fas­sung des 4. Senats erge­ben sich die maßgeblichen Ermes­sens­kri­te­ri­en aus dem all­ge­mei­nen Grund­satz, wonach das Ermes­sen in einer dem Zweck der Ermächtigung ent­spre­chen­den Wei­se aus­zuü­ben sei. Der Verspätungszuschlag die­ne der Sicher­stel­lung der recht­zei­ti­gen Steu­er­fest­set­zung und Steu­er­ent­rich­tung durch recht­zei­ti­gen Ein­gang der Steuererklärung als auch dem Aus­gleich der aus der verspäteten Abga­be der Steuererklärung gezo­ge­nen Vor­tei­le des Steu­er­pflich­ti­gen. Folg­lich müs­se die Behörde im Rah­men der Fest­set­zung eines Verspätungszuschlags berück­sich­tig­ten, wel­che Fol­gen sich aus der verspäteten Abga­be für das Ver­an­la­gungs­ver­fah­ren und den Steu­er­pflich­ti­gen erge­ben wür­den. Ins­be­son­de­re könne von Bedeu­tung sein, ob die verspätete Abga­be zu einer Verzögerung des Ver­an­la­gungs­ver­fah­rens geführt und ob sich aus der Ver­an­la­gung eine Null­fest­set­zung, Nach­zah­lung oder Erstat­tung erge­ben habe. Da der Gesetz­ge­ber in § 152 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AO für Null­fest­set­zun­gen und Erstattungsfälle eine gebun­de­ne Fest­set­zung ausschließe, sei davon aus­zu­ge­hen, dass es sich bei dem Vor­lie­gen einer Null­fest­set­zung oder eines Erstat­tungs­falls um ermes­sens­re­le­van­te Kri­te­ri­en han­de­le und dass in der­ar­ti­gen ¤llen – wie nach altem Recht – ein Verspätungszuschlag grundsätzlich nur bei erheb­li­cher Fris­tü­ber­schrei­tung oder schwer­wie­gen­dem Ver­schul­den gerecht­fer­tigt sei. Für die beson­de­re Bedeu­tung einer Null­fest­set­zung oder eines Erstat­tungs­falls als Ermes­sens­kri­te­ri­um spre­che zudem, dass § 152 Abs. 5 Satz 2 AO die Fest­set­zung eines Mindestverspätungszuschlags vor­se­he, wodurch das Vor­lie­gen eines Erstat­tungs­falls bei der Bemes­sung des Verspätungszuschlags unberück­sich­tigt blei­ben wür­de. Aus Grün­den der Verhältnismäßigkeit sei­en jedoch die wirt­schaft­li­chen Fol­gen im Rah­men des Erschließungsermessens zu berück­sich­ti­gen. Auch § 152 Abs. 8 Satz 2 AO sei zu ent­neh­men, dass der »¶he der Steu­er« Bedeu­tung zukomme.

Ande­rer­seits sei die Schwe­re des Pflichtverstoßes des Steu­er­pflich­ti­gen und dabei ins­be­son­de­re die Dau­er und ¤ufigkeit der Fris­tü­ber­schrei­tung eben­falls mit ein­zu­be­zie­hen. Eine ermes­sens­feh­ler­freie Fest­set­zung set­ze daher grundsätzlich vor­aus, dass die Finanzbehörde alle maßgeblichen Kri­te­ri­en beach­te und gegen­ein­an­der abwäge. Dem­ge­genü­ber könne der Auf­fas­sung des Finanz­am­tes, dass ein­zig auf das Ver­schul­den des Steu­er­pflich­ti­gen abzu­stel­len sei, nicht gefolgt wer­den. Die­ser Aus­le­gung ste­he auch nicht ent­ge­gen, dass der Gesetz­ge­ber mit der Neu­re­ge­lung des § 152 AO das Fest­set­zungs­ver­fah­ren habe ver­ein­fa­chen wol­len. Denn der Ver­ein­fa­chungs­zweck wer­de durch die Rege­lun­gen zur gebun­de­nen Fest­set­zung in § 152 Abs. 2 AO sowie zur ermessensunabhängigen Berech­nung der ¶he des Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 5 AO wei­ter­hin erreicht.

Den vor­ge­nann­ten Grundsätzen habe die Ermes­sens­ent­schei­dung des Finanz­am­tes nicht ent­spro­chen, da allei­ne auf die verspätete Abga­be und das Ver­schul­den des Klägers abge­stellt wor­den sei. Eine Hei­lung sei nicht in Betracht gekom­men, da das Finanz­amt erst­mals im Kla­ge­ver­fah­ren Aus­füh­run­gen zu den ande­ren Ermessenserwägungen ange­stellt habe.

Die Revi­si­on zum Bun­des­fi­nanz­hof wur­de zugelassen.

FG Müns­ter, Mit­tei­lung vom 15.08.2024 zum Urteil 4 K 2351/23 vom 14.06.2024

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