Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts führen bei Vorliegen eigener Einkünfte nicht zu außergewöhnlichen Belastungen

Der 1. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter hat ent­schie­den, dass Kos­ten für einen Pro­zess zur Erlan­gung nach­ehe­li­chen Unter­halts jeden­falls dann nicht als außergewöhnliche Belas­tun­gen abzugsfähig sind, wenn die unter­halts­be­rech­tig­te Per­son eige­ne Ein­künf­te ober­halb des Exis­tenz­mi­ni­mums erzielt.

Die Klägerin und ihr dama­li­ger Ehe­mann trenn­ten sich im Jahr 2012, wor­auf­hin der Ehe­mann einen Schei­dungs­an­trag beim Amts­ge­richt stell­te. Nach der Tren­nung zahl­te der Ehe­mann Unter­halt für die bei der Klägerin leben­den gemein­sa­men Kin­der sowie Tren­nungs­un­ter­halt für die Klägerin. Den Zuge­winn­aus­gleich regel­ten die Ehe­leu­te dahin­ge­hend ein­ver­nehm­lich, dass die Klägerin ein ver­mie­te­tes Grund­s­tück sowie eine Aus­gleichs­zah­lung erhielt. Dar­auf­hin erwarb sie ein wei­te­res Mehr­fa­mi­li­en­haus, aus dem sie Ver­mie­tungs­ein­künf­te erziel­te. Fer­ner war sie ab 2013 in Teil­zeit in ihrem erlern­ten Beruf tätig, wobei die Beschäftigungsverhältnisse zunächst befris­tet waren.

Nach­dem eine ein­ver­nehm­li­che Rege­lung über den nach­ehe­li­chen Unter­halt nicht getrof­fen wer­den konn­te, klag­te die Klägerin die­sen Ende 2013 im lau­fen­den Schei­dungs­ver­fah­ren in ¶he von ca. 1.500 Euro monat­lich ein. Ihr Ehe­mann war der Ansicht, kei­nen nach­ehe­li­chen Unter­halt zah­len zu müs­sen. Das Amts­ge­richt schied die Ehe, nahm einen Ver­sor­gungs­aus­gleich vor und sprach der Klägerin nach­ehe­li­chen Auf­sto­ckungs­un­ter­halt in ¶he von knapp 600 Euro zeit­lich befris­tet zu. Im Beschwer­de­ver­fah­ren vor dem Ober­lan­des­ge­richt schlos­sen die Par­tei­en einen Ver­gleich, wonach sich der nach­ehe­li­che Unter­halt auf 900 Euro mit einer längeren Befris­tung belief. Die Kos­ten wur­den gegen­ein­an­der aufgehoben.

Das Finanz­amt lehn­te die zunächst von der Klägerin als außergewöhnliche Belas­tun­gen gel­tend gemach­ten gesam­ten Kos­ten des Schei­dungs­pro­zes­ses unter Hin­weis auf § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ab. Im Rah­men des Kla­ge­ver­fah­rens begrenz­te die Klägerin ihren Antrag auf die auf den Unter­halt ent­fal­len­den Prozesskosten.

Im ers­ten Rechts­gang gab der 1. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter der Kla­ge mit Urteil vom 9. Dezem­ber 2020 statt, weil er die Kos­ten als Wer­bungs­kos­ten der Klägerin, die die Unter­halts­leis­tun­gen im Rah­men des sog. Real­split­tings nach § 22 Nr. 1a EStG ver­steu­er­te, ansah. Dem folg­te der Bun­des­fi­nanz­hof nicht, hob das Urteil mit Urteil vom 18. Okto­ber 2023 (Az. X R 7/20) auf und ver­wies die Sache zur Prü­fung, ob außergewöhnliche Belas­tun­gen vor­lie­gen, an das Finanz­ge­richt Müns­ter zurück.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Ver­fah­ren zur Siche­rung ihrer Exis­tenz­grund­la­ge geführt wor­den sei. Im Jahr 2013 sei ihr ohne Unter­halt und Steu­ern ein frei ver­füg­ba­rer Betrag von monat­lich ca. 1.200 Euro ver­blie­ben. Bei der Aus­le­gung des Begrif­fes »Existenzgrundlage« in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sei nicht auf das Exis­tenz­mi­ni­mum im sozi­al­recht­li­chen Sin­ne abzu­stel­len, da die Aus­nah­me­re­ge­lung sonst kei­nen Anwen­dungs­be­reich hätte. Zudem könnten befris­te­te Anstel­lun­gen man­gels wirt­schaft­li­cher Sicher­heit nicht Teil der Exis­tenz­grund­la­ge sein.

Der 1. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter hat die Kla­ge im zwei­ten Rechts­gang abge­wie­sen. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Berück­sich­ti­gung der Kos­ten als außergewöhnliche Belas­tun­gen lägen nicht vor, weil die Rege­lung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG, wonach Pro­zess­kos­ten aus­nahms­wei­se abzugsfähig sind, wenn ohne den geführ­ten Pro­zess die Gefahr des Ver­lusts der Exis­tenz­grund­la­ge bestan­den hätte, nicht eingreife.

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs sei für die Beur­tei­lung der Existenzgefährdung das sozi­al­hil­fe­recht­li­che Exis­tenz­mi­ni­mum maßgeblich. Den­noch habe die Aus­nah­me­re­ge­lung einen Anwen­dungs­be­reich, wie sich an Bei­spie­len aus der Recht­spre­chung zu schwer­wie­gen­den körperlichen Schäden auf­grund uner­laub­ter Hand­lun­gen zeige.

Bei der Prü­fung sei das frei ver­füg­ba­re Ein­kom­men der Klägerin zu berück­sich­ti­gen. Die­ses habe zum maßgeblichen Zeit­punkt der Antrag­stel­lung im Jahr 2013 deut­lich über dem Exis­tenz­mi­ni­mum gele­gen. Dabei sei die Arbeits­kraft der Klägerin ein­zu­be­zie­hen, obwohl sie ledig­lich über befris­te­te Arbeits­stel­len ver­fügt habe, denn es sei ihr auf­grund ihrer hohen Qua­li­fi­ka­ti­on und ihrer Berufs­er­fah­rung gelun­gen, naht­los eine neue Anstel­lung zu fin­den. Ande­ren­falls dürf­ten auf­grund der Unsi­cher­hei­ten sämtliche Gewinn­ein­künf­te nicht zu einer Exis­tenz­grund­la­ge führen.

Vor die­sem Hin­ter­grund hat der Senat letzt­lich offen­ge­las­sen, ob auch die Miet­ob­jek­te, die als Kapi­tal­an­la­gen der Klägerin anzu­se­hen sei­en und die lang­fris­tig geeig­net sei­en, posi­ti­ve Ein­künf­te abzu­wer­fen, eben­falls zur Exis­tenz­grund­la­ge zählen.

FG Müns­ter, Mit­tei­lung vom 15.10.2024 zum Urteil 1 K 494/18 vom 18.09.2024

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