Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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Vorlage an das Bundesverfassungsgericht: BFH hält Aussetzungszinsen von monatlich einhalb Prozent für verfassungswidrig

Der VIII. Senat des Bun­des­fi­nanz­hofs (BFH) hält den gesetz­li­chen Zins­satz von 6 % p.a. für sog. Aus­set­zungs­zin­sen für ver­fas­sungs­wid­rig. Er hat daher das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) angerufen.

Ein­spruch und Kla­ge haben im Steu­er­recht grundsätzlich kei­ne auf­schie­ben­de Wir­kung, d.h. die Erhe­bung einer Abga­be wird nicht auf­ge­hal­ten und der Steu­er­pflich­ti­ge muss die fest­ge­setz­te Steu­er zunächst zah­len. Die auf­schie­ben­de Wir­kung von Ein­spruch und Kla­ge kann aber in einem sum­ma­ri­schen Ver­fah­ren auf Antrag bei ernst­li­chen Zwei­feln an der Rechtmäßigkeit des ange­foch­te­nen Bescheids von Finanz­amt oder Finanz­ge­richt geson­dert durch die Aus­set­zung der Voll­zie­hung (AdV) ange­ord­net wer­den. Für den Steu­er­pflich­ti­gen bedeu­tet das einer­seits, dass er die Steu­er zunächst nicht zah­len muss. Ande­rer­seits droht ihm eine Belas­tung mit Zin­sen, wenn sein Rechts­mit­tel end­gül­tig ohne Erfolg bleibt und er die Steu­er »nachträglich« zah­len muss. Er hat dann nämlich für die Dau­er der AdV und in ¶he des aus­ge­setz­ten Steu­er­be­trags Zin­sen in ¶he von ein­halb Pro­zent pro Monat, also 6 % pro Jahr zu ent­rich­ten (Aus­set­zungs­zin­sen, § 237 i.V.m. 238 Abs. 1 Satz 1 der Abga­ben­ord­nung –AO–).

Mit Beschluss vom 08.07.2021 – 1 BvR 2237/14 (BVerfGE 158, 282) hat das BVerfG die Voll­ver­zin­sung in die­ser ¶he (§ 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) ab dem 01.01.2014 für unver­ein­bar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt, dies aber nicht auf die Aus­set­zungs­zin­sen und ande­re Teilverzinsungstatbestände erstreckt.

Im Streit­fall hat­te der Kläger sei­nen Ein­kom­men­steu­er­be­scheid 2012 ange­foch­ten. Des­sen Voll­zie­hung setz­te das FA aus. Die Kla­ge war erfolg­los. Aus­set­zungs­zin­sen von ein­halb Pro­zent wur­den für 78 Mona­te fest­ge­setzt, u.a. für den Zeit­raum von 01.01.2019 bis zum 15.04.2021. Der Kläger wand­te sich gegen die Zinsfestsetzung.

Nach Auf­fas­sung des BFH ist ein Zins­satz für die Zin­sen bei AdV in ¶he von ein­halb Pro­zent pro Monat, also 6 % p.a. gemäß § 237 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Zeit­raum vom 01.01.2019 bis zum 15.04.2021 mit Art. 3 Abs. 1 GG unver­ein­bar. Zumin­dest während einer anhal­ten­den struk­tu­rel­len Nied­rig­zins­pha­se ist der gesetz­li­che Zins­satz der ¶he nach evi­dent nicht (mehr) erfor­der­lich, um den durch eine spätere Zah­lung typi­scher­wei­se erziel­ba­ren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen.

Zudem wer­den Steu­er­pflich­ti­ge, die Zin­sen schul­den, weil sie die Steu­er nach AdV nicht bezahlt haben, und Steu­er­pflich­ti­ge, die Nach­zah­lungs­zin­sen ent­rich­ten müs­sen, weil ihre Steu­er­fest­set­zung zu einem Unter­schieds­be­trag (§ 233a Abs. 3 AO) geführt hat und sie die mate­ri­ell-recht­lich von Anfang an geschul­de­te Steu­er des­halb erst später zah­len müs­sen, ungleich behan­delt. Denn Nach­zah­lungs­zin­sen wer­den seit dem 01.01.2019 ledig­lich mit einem Zins­satz von 0,15 Pro­zent für jeden Monat, also 1,8 % p.a. berech­net. Auch die­se Zins­satz­sprei­zung ist ver­fas­sungs­recht­lich nicht gerechtfertigt.

BFH, Pres­se­mit­tei­lung vom 22.08.2024 zu Beschluss vom 08.05.2024, VIII R 9/23

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